Covid-19 und die Resilienz der Wayuu

Anlässlich des internationalen Tages der indigenen Völker der Welt feiert die UNO am 9. August 2020 die Art und Weise, in der indigene Völker angesichts der COVID-19-Pandemie ihre Widerstandsfähigkeit und Stärke unter Beweis stellen. Viele indigene Gruppen haben keinen Zugang zu Instrumenten oder Infrastruktur, um die Übertragung zu reduzieren und COVID-19-Fälle zu behandeln. Doch ihre traditionelle Lebensweise und ihre Abgeschiedenheit sind sicherlich eine Quelle der Widerstandskraft, um die Pandemie fernzuhalten. Indigene Bevölkerungsgruppen sind in der Regel autark, wenn das Land in dem sie leben ihre grundlegende Lebensgrundlage sichert. Leider ist das für die indigene Bevölkerung der Wayuu im Departement La Guajira in Kolumbien und Venezuela nicht der Fall.

Bis Anfang August haben die kolumbianische Regierung und die WHO über 2500 Fälle von COVID-19 und fast 200 Todesfälle in La Guajira gemeldet. Das entspricht einer Sterblichkeitsrate von 8%. Dem steht eine Sterblichkeitsrate von 3% in ganz Kolumbien gegenüber, ausgehend von insgesamt über 376 000 bestätigten COVID-19-Fällen. In Uribia, wo über 60% der gesamten Wayuu-Bevölkerung lebt, wurden 91 Fälle bestätigt. Am bedauerlichsten ist, dass die unmittelbar benachbarte Gemeinde Maicao, in der Mama Tierra ihr Koordinationsbüro hat, über 1200 Fälle meldete. Weitere Faktoren sind die politische und COVID-19-Situation in Venezuela, da La Guajira einer der einfachsten Übergangspunkte für Flüchtlinge nach Kolumbien ist. So haben die Menschen in La Guajira im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen in Kolumbien derzeit ein 2,5-mal höheres Risiko, an COVID-19 zu sterben.

 

Das Wayuu-Volk lebt unter sehr schwierigen Umweltbedingungen. Das Departement La Guajira ist anfällig für jährliche Dürreperioden und es durchläuft einen Prozess der so genannten Desertifikation (Wüstenbildung). Das bedeutet, dass die Regenfälle knapp sind und in der Region nicht viel natürliches Wasser zur Verfügung steht, da viele Flüsse aufgrund der Dürre und des Wüstenbildungs-Prozesses ausgetrocknet sind. Die Wayuu verfügen nicht über die Infrastruktur, um ihr Land mit einer Wasserquelle zu versorgen. Entsprechend ist es für sie sehr schwierig, eine nachhaltige landwirtschaftliche Praxis aufrechtzuerhalten. Daher sind die Wayuu von lokalen Märkten und dem Handel zwischen den benachbarten Dorfbewohnern abhängig. Darüber hinaus gehen die meisten Menschen zwischen 30 Minuten und 3 Stunden zu Fuss, um die nächste Wasserquelle zu erreichen. Dabei handelt es sich in der Regel um einen Brunnen mit offener Quelle oder einen künstlich angelegten See, die anfällig für mikrobielle Kontamination sind. Ohne einen einfachen Zugang zu Wasser, Nahrung und grundlegenden sanitären Einrichtungen leiden die Wayuu an hohen Krankheits- und Unterernährungsraten.

Uribia ist eine grosse Gemeinde im nördlichsten Punkt von La Guajira. Sie hat eine Fläche von rund 8000 km2, was der Grüsse des Kantons Graubünden und des Kantons Schwyz zusammen entspricht. Uribia verfügt nur über zwei Spitäler und sechs kleine Kliniken, die sich in den entlegenen Winkeln der Gemeinde befinden. Dies reicht nicht aus, um die Bedürfnisse der überwiegenden Bevölkerung von rund 200 000 Wayuu-Indigenen zu decken. Es gibt keine gepflasterten Strassen und keinen zuverlässigen Transport für die Familien, um diese Gesundheitszentren zu erreichen. Manche Menschen müssen 6 bis 8 Stunden zu Fuss gehen, um eines dieser Gesundheitszentren in der üblichen 35oC Tageshitze von La Guajira zu erreichen. 

Alles zusammengefasst: Nahrung, Wasser und Gesundheitsversorgung sind begrenzt; und Unterernährung und Krankheiten, insbesondere bei Kindern, sind hoch. Solche Faktoren sind die Hauptursachen für die berichtet hohen Kindersterblichkeitsraten in der Region. Die Situation wird noch verschlimmert durch die Tatsache, dass COVID-19 diesen abgelegenen Ort bereits erreicht hat.

Die kolumbianische Regierung hat seine Streitkräfte mobilisiert, um die Bevölkerung zurückzuhalten und das Virus einzudämmen. Aufgrund des Mangels an transparenter Information und Aufklärung löste dies eine allgemeine Panik in der Bevölkerung aus. Berichte aus Grossstädten in La Guajira wie Riohacha und Maicao, zeigen Aufstände und Ausbrüche aus Gefängnissen, Gewalt auf den Strassen und Menschenmassen, die unverhohlen von Märkten und Lieferwagen stehlen. Aufgrund dieser allgemeinen Unordnung werden die Märkte in abgelegenen Dörfern nicht wieder aufgefüllt, und die Preise für den Transport und die verfügbaren Waren haben sich fast verdreifacht. Dadurch ist es für die Wayuu unmöglich, Lebensmittel aus Kolumbien und dem benachbarten Venezuela zu kaufen und oder zu transportieren. Mit einem durchschnittlich tiefen Haushaltseinkommen von 50 bis 80 Schweizer Franken pro Monat beeinträchtigen solche unkontrollierten Preiserhöhungen definitiv die Fähigkeit der Wayuu-Bevölkerung, ihre Familien angemessen zu ernähren. Überteuerte Preise für Nahrungsmittellieferungen, eine hohe Abhängigkeit von weit entfernten Märkten und die Schliessung von Schulen, in denen die Kinder sonst tägliche Mahlzeiten erhalten, haben die Lebensgrundlage fast aller indigenen Gemeinschaften der Wayuu verschlechtert.

Der Verein Mama Tierra arbeitet mit über 100 Wayuu-Familien in Uribia, Kolumbien, und 20 weiteren in Maracaibo, Venezuela, zusammen. Dank gut vernetzter Mama Tierra Mitglieder konnten wir Lösungen für den Versand von Kunsthandwerk und Zahlungen an die Handwerker in Kolumbien und Venezuela finden, sowie die Lebensmittel- und Wasserversorgung unterstützen. Dies hat 833 Menschen in Kolumbien und weiteren 175 in Venezuela geholfen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen unter der schwierigen COVID-19 Situation.

Darüber hinaus bieten wir Aus- und Fortbildung zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie an, indem wir eine Gruppe einflussreicher Gemeindemitglieder darin schulen, allgemeine Gesundheitsinformationen und Aufklärung über die Prävention von Übertragungen zu vermitteln und den Nachbargemeinden direkte Hilfe zu leisten.

Als Schweizer Verein, der Hand in Hand mit den indigenen Wayuu-Gemeinden in Kolumbien und Venezuela arbeitet, stehen wir in täglichem Kontakt mit unseren Partnern aus diesen Gemeinden und teilen ihre Sorgen und Herausforderungen als eine Familie. Mama Tierra leitet soziale Projekte wie Ernährungsprogramme und Umwelterziehung. Der Verein stellt auch den Zugang zu Wasser und Solarenergie für indigene Gemeinschaften bereit. Eines der Hauptprogramme ist die Stärkung der indigenen Frauen, bei dem die Verteilung von Modeaccessoires für Frauen erleichtert wird. Die Arbeit von Mama Tierra hat über 1000 Menschen den Zugang zu fair bezahlter Arbeit ermöglicht, so dass sie auch unter den schwierigsten Lebensbedingungen in ihrer Lebensqualität nicht eingeschränkt sind.

Sie können Teil der Mission von Mama Tierra werden, indem Sie Produkte online oder über eine unsere zertifizierten Vertriebsstellen auf der ganzen Welt kaufen. Tragen Sie nachhaltige Designer-Accessoires, die Mode und soziale Gerechtigkeit miteinander verbinden und stärken Sie damit diejenigen, die sie herstellen und diejenigen, die sie tragen. 

Geschrieben von: 

Douglas Fernandes DaSilva, Chef für nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit bei Mama Tierra 

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