F&A
Wer ist Mama Tierra?
Mama Tierra ist ein Schweizer gemeinnütziger Verein, der seit 2015 indigene Völker unterstützt. Menschenrechtsaktivisten gründeten die Non-Profit-Organisation, um den sozialen Wandel und die Gleichstellung der Geschlechter der indigenen Frauen in Kolumbien und Venezuela voranzutreiben und gleichzeitig Mutter Erde zu schützen.Wir schafften die Accessoire-Marke «Mama Tierra», um indigene Frauen zu stärken, die unsere Produkte mit grosser Hingabe herstellen. Durch die Verschmelzung von indigenen Mythen und traditionellem Savoir-faire mit Boho-Designs schafft Mama Tierra eine bedeutungsvolle Ästhetik. Mama Tierra verschönert das Leben von Frauen mit hochwertigen handgefertigten Accessoires, die Symbolkraft ausstrahlen.
Warum wurde Mama Tierra gegründet?
Der Auslöser für die Gründung von Mama Tierra war die grosse Krise in Venezuela. Katherine Klemenz und Lourdes Grollimund trafen sich 2014 in der Schweiz bei Protesten gegen Menschenrechtsverletzungen in Venezuela. Beide sehnten sich danach, etwas für ihre Geburtsländer zu tun. Damals wurde Mama Tierra geboren: eine NGO, die Frauen durch fair bezahlte Arbeit stärkt und Designstücke mit feinster Handwerkskunst aus Kolumbien und Venezuela kreiert.
Warum unterstützt Mama Tierra Frauen?
Unsere Organisation unterstützt indigene Frauen bei der Herstellung und Vermarktung ihrer Produkte sowie mit Forschungen zu ihrem Kunsthandwerk mit dem Ziel, ihnen zu finanzieller Unabhängigkeit zu verhelfen. Indigene Frauen inspirieren uns: Sie erwirtschaften den Lebensunterhalt ihrer Familie, erziehen die Kinder, kämpfen für den Schutz der Natur und geben das indigene Erbe weiter. Unser strategischer Schwerpunkt liegt auf den Frauen, weil sie das stärkste Element sind in vielen indigenen Gesellschaften. Dies trifft besonders auf die Kultur der Wayuu zu, die matrilineare Verwandtschaftsstrukturen haben. Dies bedeutet, dass das Erbe, z. B. der Familienname oder ein Grundstück, von den Müttern weitergegeben wird und nicht von den Vätern wie in den westlichen Gesellschaften.
Wer ist das Volk der Wayuu?
Die Wayuu gehören zu einer indigenen karibischen Gruppe von 600 000 Menschen, die die nördlichste Spitze Südamerikas bewohnen. Sie leben in der abgelegenen und artenreichen Gegend La Guajira zwischen Kolumbien und Venezuela. Es gibt keine geteerten Strassen, stattdessen transportieren Jeeps, Esel und Motorräder die Menschen über holprige Pfade quer durch die karibische Wüste.
Warum ist es eurer Meinung nach besser, als NPO mit Menschen in Armut zu arbeiten?
Weil es den Fokus auf die Menschen zu legen, auf ihre Bedürfnisse und darauf, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Eine Non-Profit-Organisation wie zum Beispiel ein Verein bietet allen, die am Brand interessiert sind, die Möglichkeit, aktiv als Mitglied teilzunehmen. Ein Gremium bestimmt die strategische Ausrichtung der Marke, die sich auf sozialen Grundsätzen stützen und wiederum in Statuten rechtlich aufgesetzt sind. In unserem Fall organisieren die indigenen Frauen regelmässig Sitzungen, an denen sie sowohl über den Herstellungsprozess der Produkte diskutieren als auch über Bedürfnisse in ihrer Gemeinschaft, die unsere Organisation erfüllen möchte.
Warum unterstützt Mama Tierra indigene Wayuu?
Mama Tierra entschloss, hauptsächlich mit den indigenen Wayuu zusammenzuarbeiten, da sie als benachteiligte Minderheit um ihr Überleben kämpfen. Mama Tierra verhilft diesen Menschen, die oft an Hunger leiden und in extremer Armut in einer Gegend leben, die schwierig zu erreichen ist, zu dem, was sie dringend brauchen: zu einer fair bezahlten Arbeit.
Dies ist eigentlich die Aufgabe der Regierung, die sich aber nicht darum kümmert.
Die Region La Guajira weist die höchste Rate an Mangelernährung in Kolumbien auf. Laut mehreren Berichten starben zwischen 2012 und 2015 fast 5000 Wayuu-Kinder aufgrund von vermeidbaren Ursachen wie Durchfall oder Unterernährung. Diese Zahl vergrösserte sich dramatisch durch die Corona-Pandemie. Bereits im März 2021 litten die Wayuu an Nahrungsmittelknappheit.
Ausserdem wird ihr Land durch den Klimawandel zunehmend unfruchtbarer. Unter diesen Bedingungen ist der Anbau von Nahrungsmitteln kaum möglich. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen und politischen Situation in Venezuela, lebt über 90% des Wayuu Volkes im Norden Kolumbiens im Uribia Departement in bitterer Armut. Viele sind fast nicht in der Lage, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen.
Firmen vermarkten das Kunsthandwerk als faire Produkte, ohne dass die Löhne die Grundbedürfnisse der Arbeiter decken
Gemäss der oben erwähnten Studie des kolumbianischen TV-Senders RCN verdienen die Wayuu-Frauen für ihre Arbeit sehr wenig. Sie fahren bis zu 12 Stunden in die Stadt, wo sie ihre Taschen verkaufen. Ihre Einnahmen investieren sie wieder in Garn und haben danach nicht mehr genug Geld, um ihre Familien zu ernähren. Im Durchschnitt erhalten sie nur etwa zwei USD für jede Tasche. Leider gibt es keine gesetzliche Grundlage, um von den Firmen faire Löhne zu verlangen.
Wieviel Geld erhält die Herstellerin, wenn ich eine Tasche kaufe?
Mama Tierra bezahlt bis 20-mal mehr für die Taschen, als sie in der kolumbianischen Stadt Riohacha auf dem Markt für Wayuu-Kunsthandwerk kosten. Die sozialen Projekte, von denen die Frauen profitieren, sind hier noch nicht mitgerechnet. Unsere Projekt-Manager berechnen die benötigten Lebenskosten aufgrund der lokalen Verhältnisse. Es ist für alle Mitglieder von Mama Tierra wichtig, dass die indigenen Menschen gerechte Löhne erhalten.
Am Schluss fliesst alles zurück ins Projekt. Ob wir 100 Euros oder eine Million Euros verdienen, jeder arbeitet für einen gerechten fixen Betrag und zahlreiche Sozialleistungen. Ein Verein ist etwas anderes als eine Firma, die Gewinne an ihre Aktionäre oder Investoren auszahlt. Unser ganze Profit fliesst in die Lösung von sozialen Problemen, um die sich die kolumbianische oder venezolanische Regierung nicht kümmert, wie Hunger, kein Zugang zu sauberem Wasser, fehlende Gleichberechtigung der Geschlechter, Rassismus oder mangelnde Bildung (die Liste ist lang).
Warum nicht einfach Spenden sammeln?
Unsere NGO setzte sich das Ziel, mit Fair Fashion die grosse Armut in dieser Region zu bekämpfen. Mama Tierra ermöglicht den Wayuu-Frauen existenzsichernde Löhne und somit finanzielle Unabhängigkeit. Dadurch unterstützen wir indigene Frauen darin, Gleichberechtigung der Geschlechter zu erreichen. Sie möchten arbeiten und nicht nur Begünstigte einer Non-Profit Organisation sein.
Unsere NGO öffnet Handelswege für die Wayuu, indem wir ihre materielle Kultur auf den globalen Markt bringen. Dadurch profitieren indirekt jeden Monat rund 1 000 Personen.
Der Verkauf des indigenen Handwerks ermöglicht es Mama Tierra, die Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse der Wayuu zu lenken, während wir über so etwas Aufregendes sprechen wie Mode, Farben und Muster. Mit den Einnahmen hat Mama Tierra verschiedene Projekte organisiert, z. B. Ernährungsprogramme, die Publikation einer indigenen Gedichtsammlung, die Gründung eines Umweltschutzprojekts in Venezuela, die Bezahlung von Medikamenten für Frauen und Kinder, Beiträge zum Mutterschaftsurlaub, Workshops zur Seifenherstellung und Zugang zu Solarenergie.
Wie unterstützt Mama Tierra die Frauen bei der Produktion? Wie ist die Zusammenarbeit?
Der Verein leistet eine Vorauszahlung für die Kunsthandwerkerinnen und beschafft das Arbeitsmaterial, das heisst Garn, Nadeln, Scheren, Massbänder, Reissverschlüsse. Die Bereitstellung des Arbeitsmaterials hilft den Frauen sehr, weil sie nicht ihr eigenes Kapital einsetzen, um mit der Arbeit zu beginnen.
Vor Ort sind drei erfahrene Weberinnen im Auftrag von Mama Tierra als Koordinatoren tätig. Sie haben unter anderem die Aufgabe, Frauen mit wenig Erfahrung in der Herstellung von qualitativ hochwertigem Handwerk anzuleiten. Die Qualität der Produkte ist ein Schlüsselfaktor für deren Verkauf, aber Qualität bedeutet auch den indigenen Frauen selber sehr viel.
Weil die Kunsthandwerkerinnen zu Hause arbeiten, können sie auch auf ihre Kinder aufpassen, die älteren Familienmitglieder betreuen sowie für ihre Tiere sorgen.
Wir tauschen uns täglich mit den Koordinatoren aus und wissen dadurch, wie die Arbeit vorankommt. Sie informieren uns ihrerseits, ob es Probleme gibt, und zusammen besprechen wir ihre Anliegen und suchen nach einer Lösung.
Die Erhaltung von Traditionen und kunsthandwerklichen Techniken
Eines der Hauptanliegen von Mama Tierra ist die Bewahrung des traditionellen Kunstandwerks der indigenen Menschen. Deshalb arbeitet Mama Tierra mit indigenen Frauen von Kolumbien und Venezuela zusammen, die teilweise Taschen und Etuis in traditionellen Techniken aus präkolonialer Zeit herstellen und damit ihren Lebensunterhalt sichern.
Ausserdem lässt Mama Tierra von den Wayuu-Frauen nur Handwerk produzieren, das mit ihrer Kultur übereinstimmt, wie die Taschen, die mit nur einem Garnfaden gehäkelt sind. Dies sind Wayuu-Taschen von höchster Qualität, was mit einem entsprechenden Preis honoriert werden sollten. Da dies meist nicht so ist, tritt ein negativer Effekt auf: Die Indigenen arbeiten rascher, mit einfacheren Mustern und in minderer Qualität. Durch die Verkürzung der Herstellungszeit von zehn auf zwei Tage verlieren die Taschen sowohl ihre spirituelle und kulturelle Bedeutung als auch ihre Langlebigkeit.
Welche Materialien verwendet Mama Tierra für die Produktion?
Alle Mama Tierra-Accessoires bestehen aus nachhaltigen Materialien wie GOTS-zertifiziertes Baumwollgarn aus Peru. Da die meisten indigenen Textilien in der Karibik aus kunststoffbasierten Garnen hergestellt werden, trägt die Produktion der Mama Tierra-Accessoires somit zur Reduzierung von Kunststoffabfällen in Kolumbiens ländlichster Gegend namens La Guajira bei.
Kulturelle Aneignung?
Wir sprechen von kultureller Aneignung, wenn Mitglieder einer Mehrheitsgruppe kulturelle Elemente einer Minderheit auf stereotypische, ausbeuterische oder respektlose Weise übernehmen. Mama Tierra als NGO ist sensibilisiert für Machtunterschiede, koloniales Erbe und Diskriminierung, während wir bei jedem Schritt des sozialen und kulturellen Projekts sowie der handwerklichen Produktion mit indigenen Völkern zusammenarbeiten. Bei Mama Tierra studieren wir die Wayuu-Kultur und fördern sie, weil wir denken, dass dies der beste Weg ist, dem systemischen Rassismus, dem diese indigene Gruppe ausgesetzt ist, entgegenzuwirken.
Andererseits folgt Mama Tierra dem Wunsch der Wayuu-Frauen nach Unabhängigkeit, indem wir ihr Kunsthandwerk verkaufen. Wir glauben an Zusammenarbeit, um die Gleichstellung der Geschlechter und eine nachhaltige Entwicklung durch faire Mode und von der Gemeinschaft getragene Aktionen voranzutreiben.
Last but not least hat Katherine Klemenz, eine der Gründerinnen von Mama Tierra, indigene Wayuu-Wurzeln. Da Katherines Mutter adoptiert wurde, sehnte sie sich danach, mehr über ihren indigenen Hintergrund zu wissen, den sie nie erleben konnte.